War in der Vergangenheit klar, dass ein Gremiumsmitglied in jedem Fall unternehmerisch tätig und folglich als vollwertiger Unternehmer anzusehen ist, wurde diese Konstante der Umsatzsteuer erstmals mit Urteil aus Juni 2019 durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) infrage gestellt. Zahlreiche Urteile in Zusammenhang mit den unterschiedlichsten Gremiumsmitgliedern folgten seither – alle zielten auf dem Urteilstenor des EuGH aus 2019 ab, wonach fixe Vergütungen für eine Gremiumstätigkeit grundsätzlich nicht zu einer umsatzsteuerbaren Tätigkeit führen.
Infolge dessen hatte ein Gremiumsmitglied fortan mit Bezug auf die Judikative die Möglichkeit, sich seiner umsatzsteuerlichen Pflichten gegenüber dem Finanzamt „zu entledigen“; wollte man jedoch partout weiterhin umsatzsteuerlicher Unternehmer sein, konnte man sich hingegen auf die einschlägigen Passagen des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses (UStAE) beziehen; es galt Vertrauensschutz.
Die Zeit des „Rosinenpickens“ hat nun bald ein Ende; mit Datum vom 08.07.2021 hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) ein Schreiben veröffentlicht, in dem es – dem Urteil des EuGH folgend – klarstellt, dass ein Aufsichtsratsmitglied, das eine fixe Vergütung für seine Tätigkeit erhält, nicht selbstständig tätig und damit auch kein umsatzsteuerlicher Unternehmer ist. Hintergrund dessen ist das fehlende Vergütungsrisiko in diesen Fällen. Lediglich bei Zahlung von Mischvergütungen durch das entsprechende Unternehmen – feste Entgeltkomponente sowie zusätzliche variable Komponente – kann es weiterhin zu umsatzsteuerbaren Tätigkeiten des Gremiumsmitglieds kommen; dies ist grundsätzlich bei variablen Entgeltanteilen von mindestens 10 % der Fall – aber auch hier gilt: Ausnahmen bestätigen die Regel.
Laut Erlassschreiben kann man sich bis zum Ende dieses Kalenderjahres als Gremiumsmitglied noch auf die „Altregelung“ des UStAE berufen, wonach man für Leistungen, die bis zum 31.12.2021 erbracht werden, weiterhin als umsatzsteuerlicher Unternehmer agiert. Spätestens ab dem 01.01.2022 müssen jedoch Aufsichtsratsmitglieder und die entsprechenden Unternehmen die Wertgrenze variabler Vergütungen (10 %) im Blick haben, um bspw. den unberechtigten Ausweis von Umsatzsteuer zu vermeiden. Fraglich ist an dieser Stelle jedoch, wie mit der Frage des Leistungszeitpunktes im Zusammenhang mit der Erbringung von Aufsichtsratstätigkeiten umzugehen ist; folgt man einzelnen Literaturstimmen, gilt eine derartige Leistung erst mit Ablauf der Hauptversammlung als erbracht. Da diese naturgemäß erst im kommenden Jahr (2022) stattfinden wird, ist es möglich, dass die Neuregelung bereits im Kalenderjahr 2021 gilt.
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