Burchard Vossmann „Calippo Fizz“
Ausstellung im Kunstfoyer vom 15. November 2007 bis 4. Januar 2008
Burchard Vossmann „Calippo Fizz“
Ausstellung im Kunstfoyer vom 15. November 2007 bis 4. Januar 2008
Burchard Vossmann verzichtet auf Farbe und Pinsel für seine Bilder. Er fertigt sie aus Materialien, die für andere keinen Wert mehr haben. Ausgediente Billets und Zigarettenschachteln, Einwegfeuerzeuge, Plastikgabeln, Bonbonpapiere bekommen durch ihn ein zweites Leben als Bestandteile künstlerischer Projekte. In den 1990er Jahren unternahm er zum Sammeln solcher Gegenstände „Citywalks“ in den großen Metropolen der Welt von Saigon bis Moskau, von Paris bis Budapest. In seinem Berliner Atelier hortet er regaleweise Kisten voll von diesen Massenprodukten, die weltweit zum städtischen Alltagsabfall gehören. Jedes einzelne hat als Patina Alltagsgeschichte gespeichert. Vossmann lagert sie, nach Farben und Typen geordnet, wie ein Archivar, und konserviert die anonyme Geschichte gleich mit dazu. Mit jeweils bestimmten Marken und Materialien der gleichen Art belegt er quadratische Bildtafeln in exakten Reihen, fügt bisweilen noch Raster ein, die den strengen seriellen Eindruck betonen. Seine Bildkompositionen bestechen durch ein kraftvolles ästhetisches Eigenleben. Die Schichten von Zeit und individueller Bedeutung, die auf den farbenfrohen Zeugen der banalen Konsumwelt liegen, machen das Ganze zu einem Kosmos, der endlose Assoziationen in Gang setzt.
Burchard Vossmann
Vossmanns aktuelle „Shredart“-Arbeiten führen diese Ideen weiter. Er bearbeitet jetzt ausrangierte Banknoten und Briefmarken, die ja per se Träger von Werten, Prestige und politischer Symbolik sind und immer auch massenhaft Bildnisse verbreiten. Könige und Königinnen, Präsidenten und andere Mächtige waren und sind auf Scheinen und Marken im Alltag präsent – eine Herausforderung für jeden, der sich mit der Wirkung von Bildern heute befasst. Vossmanns hintergründige Antwort ist, dass er die papiernen Bildträger im Aktenschredder zerschnipselt und die feinen Streifen – „sortenrein“ – als Ausgangsmaterial seiner Bilder verwendet. Fast pointillistisch oder im Stil des Informel vom Zufall gesteuert, geraten die zerstörten Porträts oder Machtinsignien zusammen und ergeben, akribisch nach Linien aufgeklebt, monochrom flirrende Flächen, die auf unnachahmliche Weise symbolisch aufgeladen sind. Aus der Nähe enthüllen die Reste der einst wertvollen Papiere die Erinnerungen an Queen Victoria, Adolf Hitler, Abraham Lincoln oder wen auch immer. Der Umgang mit Ikonen und Ideen und ihrem Wertverfall wird hier zum künstlerischen Programm, das eine eigenwillige Nachhaltigkeit an den Tag legt.