Inflationsbedingte Anhebung der Größenkriterien
Änderung der Schwellenwerte für die Bestimmung der Größenklassen von Kapitalgesellschaften
Die Europäische Kommission hat den Vorschlag angenommen, die Schwellenwerte für die Bestimmung der Größenklassen von Kapitalgesellschaften als Inflationsausgleich um 25 % anzuheben. Offen ist, ob diese Änderungen in Deutschland (erst) für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2024 oder bereits für Geschäftsjahre ab dem 1.1.2023 umgesetzt werden.
Die Europäische Kommission hat einen delegierten Rechtsakt veröffentlicht, mit dem die Größenmerkmale „Umsatzerlöse“ und „Bilanzsumme“ zur Bestimmung der Größenklassen von Kapitalgesellschaften um 25 % angehoben werden. In diesem Zusammenhang werden auch die Größenmerkmale für die Aufstellung eines Konzernabschlusses und eines Konzernlageberichts entsprechend angehoben. Die neuen Schwellenwerte gestalten sich bei richtlinienkonformer Umsetzung wie folgt:
Die neuen Schwellenwerte können für Unternehmen zu Erleichterungen bei Aufstellungs-, Prüfungs- und Offenlegungspflichten von Jahres- und Konzernabschlüssen sowie (Konzern-)Lageberichten führen. Die Größenklassen – und damit die neuen Schwellenwerte – werden zudem für künftige Pflichten im Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung herangezogen.
Der Rechtsakt tritt, sofern das Europäische Parlament und der Europäische Rat keine Einwände erheben, Ende Dezember 2023 in Kraft und muss dann innerhalb von zwölf Monaten von den Mitgliedstaaten der Europäischen Union in nationales Recht umgesetzt werden. Die Änderungen sind anzuwenden für Geschäftsjahre, die am oder nach dem 1.1.2024 beginnen. Die Mitgliedstaaten können eine frühere Anwendung für Geschäftsjahre, die ab dem 1.1.2023 beginnen, zulassen. Ob Deutschland bei der nationalen Umsetzung von diesem Wahlrecht Gebrauch machen wird, bleibt abzuwarten.
Die Anhebung soll insbesondere der Inflationsentwicklung der letzten Jahre entgegenwirken und steht zudem im Zusammenhang mit dem Ziel der Europäischen Kommissionen, den Aufwand der Unternehmensberichterstattung im Jahr 2024 um 25 % zu reduzieren.
Merke: Mit der Anhebung der Größenmerkmale dürfte für einige Unternehmen eine Erleichterung ihrer Rechnungslegungs-, Offenlegungs- und Prüfungspflichten einhergehen.
Wachstumschancengesetz
Relevant für alle Steuerpflichtigen
Der Bundestag hat am 17.11.2023 das Wachstumschancengesetz („Gesetz zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness“) beschlossen. Es enthält wesentliche Änderungen gegenüber dem bisherigen Gesetzentwurf. Ziel der geplanten Neuregelungen ist es, die Liquiditätssituation der Unternehmen zu verbessern und Investitionen und Innovationen zu fördern. Das Gesetz soll die Wettbewerbsfähigkeit und das Wachstum der deutschen Wirtschaft stärken. Die Zustimmung des Bundesrates steht noch aus. Am 24.11.2023 hat dieser das Gesetz in den Vermittlungsausschuss verwiesen. Wie ein Jahressteuergesetz enthält das Wachstumschancengesetz eine Vielzahl wichtiger Änderungen, von denen hier nur die wichtigsten Maßnahmen aufgeführt werden:
1. Einkommensteuer/Körperschaftsteuer
- Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung sollen ab dem Jahr 2024 bis zu einem Betrag von 1.000 € als steuerfrei behandelt werden. Sie bleiben auf Antrag (z.B. durch Abgabe der Anlage V zur Einkommensteuererklärung) steuerpflichtig, wenn die mit den Einnahmen zusammenhängenden Ausgaben höher sind.
- Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, dürfen nur als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn sie 35 € pro Wirtschaftsjahr und pro Empfänger nicht übersteigen. Dieser Betrag soll für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2023 beginnen, auf 50 € angehoben werden.
- Die Regelungen zur Zinsschranke sollen ab dem Jahr 2024 verschärft werden..
- Die bisher geplante Einführung einer sog. Zinshöhenschranke ist in dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz nicht mehr enthalten.
- Die Grenze für die Sofortabschreibung geringwertiger Wirtschaftsgüter soll für Anschaffungen ab dem 1.1.2024 von 800 € auf 1.000 € angehoben werden. Für den alternativ möglichen Sammelposten soll die Wertobergrenze der Anschaffungskosten auf 5.000 € (bisher: 1.000 €) angehoben und die Auflösungsdauer von fünf Jahren auf drei Jahre verkürzt werden.
- Neu in den Gesetzentwurf aufgenommen wurde die Möglichkeit der degressiven Abschreibung in Höhe des Zweieinhalbfachen der linearen Abschreibung (max. 25% pro Jahr). Die ursprünglich bis Ende 2022 befristete degressive Abschreibung soll für nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.1.2025 erworbene bewegliche Gegenstände des Anlagevermögens wieder eingeführt werden.
- Ebenfalls neu im Gesetzentwurf aufgenommen wurde ein Wahlrecht zur degressiven Abschreibung von Wohngebäuden mit Baubeginn nach dem 30.9.2023 und vor dem 1.10.2029 in Höhe von 6% des Restbuchwertes. Die lineare Abschreibung beträgt 3% der Anschaffungs- oder Herstellungskosten und führt damit in den ersten Jahren zu deutlich geringeren Abschreibungen.
- Bei der Sonderabschreibung nach § 7g EStG für abnutzbare bewegliche Anlagegüter in Betrieben mit einem Vorjahresgewinn von bis zu 200.000 € soll der maximale Abschreibungsbetrag ab dem Jahr 2024 von derzeit 20% auf 50% der Investitionskosten angehoben werden.
- Der Verlustrücktrag soll ab dem Jahr 2024 von zwei auf drei Jahre verlängert werden. Zudem sollen die Höchstbeträge von 10 Mio. € bzw. bei Zusammenveranlagung 20 Mio. € bis einschließlich des Jahres 2025 beibehalten werden. Danach werden die Betragsgrenzen auf 5 Mio. € bzw. 10 Mio. € gesenkt.
- Verluste können, soweit sie den unbeschränkt abziehbaren Sockelbetrag von 1 Mio. € (bei Ehegatten 2 Mio. € ) übersteigen, nur bis zur Höhe von 60 % des verbleibenden Einkommens abgezogen werden (sog. Mindestgewinnbesteuerung). Für die Jahre 2024 bis 2027 ist eine Erhöhung auf 75 % vorgesehen. Der Sockelbetrag soll nicht angehoben werden. In einem früheren Gesetzentwurf war noch
eine Aussetzung der Mindestgewinnbesteuerung in den Jahren 2024 bis 2027 sowie eine deutliche Anhebung des Sockelbetrags vorgesehen. - Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften bleiben steuerfrei, wenn der im Jahr erzielte Gesamtgewinn höchstens 600 € beträgt. Die Freigrenze soll ab dem Jahr 2024 auf 1.000 € steigen.
- Die optionale Thesaurierungsbesteuerung für Gesellschafter von Personengesellschaften soll für Gewinne ab dem Jahr 2024 reformiert werden. Der begünstigungsfähige Gewinn soll u.a. um die gezahlte Gewerbesteuer und um die Beträge, die zur Zahlung der Einkommensteuer auf den Gewinn entnommen werden, erhöht werden.
- Die Option zur Körperschaftsbesteuerung soll für Personengesellschaften attraktiver werden. Künftig sollen daher alle Personengesellschaften und nicht nur Personenhandels- bzw. Partnerschaftsgesellschaften zur Körperschaftsteuer optieren können.
- Auf die Besteuerung der „Dezember-Soforthilfe 2022“ für die hohen Kosten für Erdgas soll verzichtet werden.
2. Lohnsteuer
- Bei privater Nutzung von rein elektrisch betriebenen Firmenwagen ist bei der 1%-Regelung nur ein Viertel des Bruttolistenpreises und bei der Fahrtenbuchmethode nur ein Viertel der Anschaffungskosten des Fahrzeugs anzusetzen. Dies gilt bisher allerdings nur, wenn der Bruttolistenpreis nicht mehr als 60.000 € beträgt. Diese Grenze wird für ab dem Jahr 2024 angeschaffte Fahrzeuge auf 70.000 € angehoben werden.
- Die Pauschalen für Verpflegungsmehraufwendungen sollen ab dem Jahr 2024 von 28 € auf 32 € bzw. von 14 € auf 16 € angehoben werden.
- Der Freigrenze für die Besteuerung geldwerter Vorteile aufgrund von Betriebsveranstaltungen soll ab dem Jahr 2024 von 110 € auf 150 € je Betriebsveranstaltung und teilnehmendem Arbeitnehmer angehoben werden.
3. Gewerbesteuer
Bei der erweiterten Kürzung für Grundstücksunternehmen soll bereits ab dem Jahr 2023 die Unschädlichkeitsgrenze für Stromlieferungen aus Solaranlagen und dem Betrieb von Ladesäulen von 10 % auf 20 % erhöht werden.
Die für die Einkommen- und Körperschaftsteuer für die Jahre 2024 bis 2027 vorgesehene Erhöhung der Prozentgrenze bei der sog. Mindestgewinnbesteuerung von 60% auf 75% soll auch für gewerbesteuerliche Verlustvorträge gelten. Ein Verlustrücktrag ist bei der Gewerbesteuer weiterhin nicht möglich.
4. Prämie für Investitionen in den Klimaschutz
Steuerpflichtige mit Gewinneinkünften können eine neu eingeführte Investitionsprämie für die Anschaffung oder Herstellung neuer beweglicher Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, die die Energieeffizienz des Unternehmens verbessern und in einem Energiesparkonzept enthalten sind, beantragen. Die Prämie beträgt 15 % der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten, höchstens jedoch
30 Mio. €, und wird für ab dem 1.3.2024 begonnene Investitionen gewährt.
5. Umsatzsteuer
Die Übertragung von Emissionszertifikaten soll ab dem Jahr 2024 unter die Vereinfachungsregelung zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers (sog. Reverse-Charge) fallen.
Eine verpflichtende Verwendung von elektronischen Rechnungen soll zum 1.1.2025 eingeführt werden. Diese E-Rechnungspflicht ist nur für steuerpflichtige inländische Umsätze zwischen inländischen Unternehmern vorgesehen. Es sind jedoch Übergangsregelungen
geplant, die im Vergleich zum bisherigen Gesetzentwurf noch einmal angepasst wurden. So sollen in den Jahren 2025 und 2026
alle Unternehmen sowie im Jahr 2027 Unternehmen mit einem Vorjahresumsatz unter 800.000 € noch Papier- oder PDF-Rechnungen stellen dürfen. Ab dem 1.1.2028 wird eine E-Rechnungsstellung nach der CEN-Norm 16931 generell verpflichtend sein. Bis dahin sind auch andere elektronische Rechnungen zulässig, wenn eine Übermittlung im elektronischen Datenaustausch erfolgt.
Der Schwellenwert zur Befreiung von der Abgabe vierteljährlicher Umsatzsteuer-Voranmeldungen soll ab dem Jahr 2024 von 1.000 € auf 2.000 € erhöht werden.
Kleinunternehmer sollen ab dem Jahr 2024 im Regelfall von der Übermittlung von Umsatzsteuerjahreserklärungen befreit werden.
Die Jahresumsatzgrenze für die Möglichkeit der Berechnung der Steuer nach vereinnahmten statt vereinbarten Entgelten soll ab dem Jahr 2024 von 600.000 € auf 800.000 € angehoben werden.
6. Abgabenordnung
Die Grenzen für die Buchführungspflicht bestimmter Steuerpflichtiger sollen ab dem 1.1.2024 angehoben werden. Sie sollen bezüglich der Umsatzerlöse von 600.000 € auf 800.000 € und bezüglich des Jahresüberschusses von 60.000 € auf 80.000 € steigen.
Bei Überschusseinkünften soll die Einkunftsgrenze für die sechsjährige Aufbewahrungspflicht von Unterlagen von 500.000 € auf 750.000 € angehoben werden. Die Grenze wurde im Vergleich zum Referentenentwurf deutlich erhöht.
Aussetzungszinsen sollen für von der Vollziehung ausgesetzte Haftungsansprüche ab dem 1.1.2024 eingeführt werden.
Die Anzeigepflicht für Steuergestaltungen, die bisher nur für grenzüberschreitende Steuergestaltungen besteht, soll auf nationale Steuergestaltungen ausgeweitet werden.
7. Weitere Änderungen
- Im Handelsgesetzbuch sollen die Schwellenwerte, ab denen eine Jahresabschlusserstellung erforderlich ist, ebenfalls von 600.000 € auf 800.000 € (Umsatzerlöse) bzw. von 60.000 € auf 80.000 € (Jahresüberschuss) erhöht werden.
- Die steuerliche Förderung von Forschung und Entwicklung in Form der sog. Forschungszulage soll gestärkt werden. Neben Arbeitslöhnen für Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten sollen ab dem 1.1.2024 auch die in begünstigten Forschungs- und Entwicklungsvorhaben genutzten abnutzbaren beweglichen Anlagegüter, die für deren Durchführung unerlässlich sind, begünstigt werden. Die begünstigten Aufwendungen sollen künftig auf 12 Mio. € (bisher 4 Mio. €) begrenzt werden. Kleine und mittlere Unternehmen können künftig eine Forschungszulage in Höhe von 35% (statt 25%) der begünstigten Aufwendungen erhalten.
Hinweis: Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen; dieser hat das Gesetz in den Vermittlungsausschuss verwiesen.
Zukunftsfinanzierungsgesetz
Neuregelungen insbesondere für Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleine und mittlere Unternehmen
Der Bundestag hat am 17.11.2023 das Gesetz zur Finanzierung von zukunftssichernden Investitionen (sog. Zukunftsfinanzierungsgesetz) beschlossen. Die geplanten Neuregelungen sollen insbesondere Start-ups, Wachstumsunternehmen sowie kleinen und mittleren Unternehmen den Zugang zum Kapitalmarkt und die Aufnahme von Eigenkapital erleichtern. Die Zustimmung des Bundesrats ist für den 15.12.2023 geplant.
Das Gesetz sieht Anpassungen im Kapitalmarktrecht, eine Weiterentwicklung des Gesellschaftsrechts sowie eine Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen vor. Insbesondere folgende Maßnahmen sind vorgesehen:
1. Verbesserungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen
- Der Freibetrag für geldwerte Vorteile (Sachbezüge) aus der unentgeltlichen oder verbilligten Überlassung von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen soll ab dem 1.1.2024 von 1.440 € auf 2.000 € angehoben werden. Der Erwerb einer Mitarbeiterkapitalbeteiligung kann durch steuerfreie Entgeltumwandlung finanziert werden.
- Es wird eine dreijährige Haltefrist eingeführt. Bei einer Veräußerung innerhalb der Haltefrist ist der bei Übertragung der Beteiligung steuerfreie geldwerte Vorteil als
Veräußerungsgewinn mit 25 % Abgeltungsteuer zu versteuern. - Steuerpflichtige geldwerte Vorteile aus der unentgeltlichen oder verbilligten Übertragung von Unternehmensbeteiligungen auf Arbeitnehmer, die zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden, sind unter bestimmten Bedingungen nicht bereits im Zeitpunkt der Übertragung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt zu versteuern. Die bisher engen Voraussetzungen für die nachgelagerte Besteuerung sollen erweitert werden. Durch die Anhebung der Schwellenwerte für Unternehmen (auf max. 1.000 Beschäftigte und max. 100 Mio. € Jahresumsatz bzw. 86 Mio. € Bilanzsumme) und die Ausweitung auf Unternehmen, die vor höchstens 20 Jahren (bisher 12 Jahre) gegründet wurden, können deutlich mehr Unternehmen von der Regelung profitieren. Die Besteuerung des geldwerten Vorteils erfolgt künftig grundsätzlich spätestens nach 15 Jahren (bisher 12 Jahre); dies soll auch für vor 2024 erfolgte Übertragungen gelten. Erklärt der Arbeitgeber, dass er die Haftung für die einzubehaltende und abzuführende Lohnsteuer übernimmt, erfolgt die Besteuerung statt nach 15 Jahren erst im Falle eines (späteren) Verkaufs der Beteiligung durch den Arbeitnehmer. Scheidet der Arbeitnehmer aus dem Unternehmen aus und muss er in diesem Fall seine Beteiligung an das Unternehmen zurückgeben, soll künftig nur noch der tatsächlich dafür erhaltene Veräußerungspreis für die Anteile maßgeblich sein.
2. Verbesserungen beim Zugang zum Kapitalmarkt und bei der Eigenkapitalgewinnung
- Der Zugang zum Kapitalmarkt soll durch Erleichterungen bei den Börsenzulassungsanforderungen und bei den Zulassungsfolgepflichten vereinfacht werden. So soll z. B. das Mindestkapital für einen Börsengang von 1,25 Mio. € auf 1 Mio. € gesenkt werden.
- Gesellschaftsrechtlich ist die Erleichterung von Kapitalerhöhungen durch einen erweiterten Bezugsrechtsausschluss bei gleichzeitiger Beschränkung der Beschlussanfechtung und durch die erweiterte Zulassung bedingter Kapitalerhöhungen vorgesehen. Die Einführung einer Special Purpose Acquisition Company als „Börsenmantelaktiengesellschaft“ soll nicht börsennotierten Unternehmen eine Alternative zum klassischen Börsengang bieten. Außerdem werden Mehrstimmrechtsaktien wieder zugelassen – eine Aktie kann bei gleichem Nennwert mehrere Stimmrechte gewähren.
- Zur Digitalisierung des Kapitalmarkts ist die Einführung elektronischer Aktien geplant. Aktiengesellschaften sollen künftig wählen können, ob sie ihre Aktien als herkömmlich verbriefte oder als elektronische Aktien ausgeben. Sie können auch bereits herkömmlich verbriefte Aktien durch elektronische Aktien ersetzen.
Hinweis: Die geplanten Neuregelungen sehen deutliche Verbesserungen für Mitarbeiterkapitalbeteiligungen vor. Der Bundesrat muss dem Gesetz noch zustimmen; dies ist für den 15.12.2023 geplant.
Kein Vorsteuerabzug bei unentgeltlichen Gesellschafterbeiträgen
Neue Rechtsprechung zum Vorsteuerabzug bei Holdinggesellschaften
Der Vorsteuerabzug für Holdinggesellschaften ist durch die bisherige Rechtsprechung konkretisiert worden. Mit Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Vorsteuerabzug bei unentgeltlichen Gesellschafterbeiträgen wurde der Vorsteuerabzug für eine Holdinggesellschaft im konkreten Fall versagt. Die sich aus der Rechtsprechung ergebenden Grundsätze sind für den Vorsteuerabzug bei Holdinggesellschaften zu beachten.
In seinem Urteil vom 15.2.2023 versagt der BFH als Folgeentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) den Vorsteuerabzug für bezogene Leistungen einer Holdinggesellschaft. Die Holdinggesellschaft erbrachte neben entgeltlichen Leistungen auch nicht steuerbare Gesellschafterbeiträge in Form von eingekauften Dienstleistungen an Tochterunternehmen. Der Vorsteuerabzug für die konkret mit den Gesellschafterbeiträgen zusammenhängenden Eingangsleistungen war strittig. Die Tochterunternehmen selbst waren nicht zum Vorsteuerabzug aus den Leistungen berechtigt, da sie steuerfreie Umsätze erbrachten. Der unentgeltliche Gesellschafterbeitrag sei als nicht steuerbarer Vorgang zu sehen. Davon ausgehend prüfte der BFH den Vorsteuerabzug nach den allgemeinen Grundsätzen. Der BFH erkannte zwar die Unternehmereigenschaft der Holdinggesellschaft an, kam aber zu dem Schluss, dass die Eingangsleistungen gerade nicht für das eigene Unternehmen bezogen wurden. Sie stünden nicht im direkten Zusammenhang mit eigenen steuerpflichtigen Leistungen, sondern mit dem geschuldeten Gesellschafterbeitrag. Die Eingangsleistungen seien nicht in den Preis von eigenen umsatzsteuerpflichtig erbrachten Leistungen der Holdinggesellschaft eingegangen. Sie gehörten auch nicht zu den allgemeinen Kostenelementen der wirtschaftlichen Tätigkeit der Holdinggesellschaft. Vielmehr sah der BFH die Eingangsleistungen in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit Umsätzen Dritter. Der BFH stellt in seinem Urteil heraus, dass der Vorsteuerabzug in diesem Fall unabhängig davon zu versagen ist, ob die Tochtergesellschaft steuerfreie oder steuerpflichtige Umsätze erbringt. Dies wurde durch den EuGH weniger eindeutig formuliert. Für den Vorsteuerabzug sind nach Ansicht des BFH die tatsächliche Verwendung und der Entstehungsgrund wesentliches Kriterium zur Prüfung, ob Leistungen für das eigene Unternehmen bezogen werden. Dadurch ergänzt der BFH die bisherige Rechtsprechung zu Führungsholdings.
Empfehlung: Bei der Frage des Vorsteuerabzugs von Eingangsleistungen der Holdinggesellschaften ist insbesondere der Bezug für das eigene Unternehmen der Holdinggesellschaften genau zu prüfen. Werden Leistungen bezogen, die direkt einer Tochtergesellschaft unentgeltlich zugutekommen, dürfte nach dem nun vorliegenden Urteil kein Vorsteuerabzug mehr möglich sein – egal ob die Ausgangsleistungen der Tochtergesellschaft zum Vorsteuerabzug berechtigen oder nicht. Wir empfehlen, die bisherige Handhabung zu überprüfen und bei Bedarf den bereits erfolgten Vorsteuerabzug zu korrigieren.
Weitere aktuelle Informationen zum Thema sind der KOMPAKT zu entnehmen.
Rechtsprechung zur umsatzsteuerlichen Organschaft
Eingliederung von Personengesellschaften, Steuerbarkeit von Innenumsätzen und wirtschaftliche Eingliederung
Sie ist und bleibt spannend: Die umsatzsteuerliche Organschaft schafft es regelmäßig in die Top-15-Artikel unseres Newsletters – so auch dieses Mal. Aktuelle Urteile des Bundesfinanzhofs (BFH) zeigen (wie so häufig), dass man sich nicht unbedingt immer auf „alles“ verlassen kann.
Die deutsche Regelung der umsatzsteuerlichen Organschaft ist regelmäßig Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten. So auch im Jahr 2023.
Ist die Organschaft europarechtskonform?
Bereits im letzten Jahr hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) gleich zweimal zu der Frage zu entscheiden, ob das deutsche Konstrukt der umsatzsteuerlichen Organschaft mit der europäischen Regelung konform ist. Im Ergebnis hat der EuGH dies bestätigt. Jedoch hat er in seinen Urteilen festgestellt, dass die deutsche Regelung nicht vollumfänglich Bestand hat. Unter anderem stellte der EuGH fest, dass für die finanzielle Eingliederung eine Stimmrechtsmehrheit zusätzlich zu einer Anteilsmehrheit nicht erforderlich ist. Darüber hinaus sei es nicht europarechtskonform, die Organgesellschaft typisierend als unselbstständig darzustellen. Der BFH hat die Auffassung zur Stimmrechtsmehrheit bereits in einem Folgeurteil übernommen. Sind die Stimmrechte 50/50 verteilt und besteht zusätzlich Anteilsmehrheit beim Organträger, kommt es nicht länger auf die Stimmrechtsmehrheit an, sofern der Organträger den einzigen Geschäftsführer der Organgesellschaft stellt.
Sind Innenumsätze doch steuerbar?
In einer neuen EuGH-Vorlage ist aufgrund der durch den EuGH infrage gestellten Unselbstständigkeit von Organgesellschaften nun seitens des EuGH zu klären, ob Innenumsätze möglicherweise doch steuerbar sind. Dies hätte weitreichende Auswirkungen auf die bisherige Handhabung der umsatzsteuerlichen Organschaft. Zu den Ergebnissen halten wir Sie auf dem Laufenden.
Kann auch eine Personengesellschaft Organgesellschaft sein?
Mit der Frage, ob eine Personengesellschaft Organgesellschaft sein kann, haben sich sowohl der V. Senat als auch der XI. Senat des BFH bereits im Jahr 2015 auseinandergesetzt. In den damaligen Entscheidungen hatten dies beide Senate bejaht, wobei der V. Senat vorausgesetzt hatte, dass eine 100 %ige finanzielle Eingliederung vorliegen muss. Die Finanzverwaltung hatte sich insoweit dem V. Senat angeschlossen. Sobald also ein nicht zum Organkreis gehörender Dritter an einer Personengesellschaft beteiligt ist – und sei es auch nur mit einer Mindestbeteiligung – kann die Personengesellschaft nicht mehr Organgesellschaft sein, da die finanzielle Eingliederung nicht gegeben ist. In seinem Urteil aus 2023 gibt der V. Senat des BFH seine Sichtweise auf und bestätigt, dass eine Personenhandelsgesellschaft mit kapitalistischer Struktur auch Organgesellschaft sein kann, wenn neben dem Organträger Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft auch Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers nicht finanziell eingegliedert sind. Dabei setzt der BFH jedoch voraus, dass bei Änderung der Veranlagung der Organgesellschaft auch der Organträger einen Antrag auf Änderung stellt, sodass einheitlich von einer umsatzsteuerlichen Organschaft ausgegangen wird. Die geänderte Rechtsprechung des BFH wirft nun folgende Fragen auf: Was versteht man en détail unter einer „kapitalistischen Struktur“? Und wie wird die Verwaltung mit dieser geänderten Rechtsprechung umgehen? Gerade die Mindestbeteiligung eines „fremden Dritten“, der an einer Personengesellschaft beteiligt wurde, galt als das Gestaltungselement, um die Organschaft einer Personengesellschaft zu vermeiden. Aktuell besteht die Möglichkeit für Unternehmensgruppen, sich auf die alte Rechtsprechung und die Finanzverwaltung zu beziehen oder, sofern vorteilhaft, die Anwendung der aktuellen Rechtsprechung durchzusetzen.
Neues zur wirtschaftlichen Eingliederung
Zwei weitere Urteile behandeln die wirtschaftliche Eingliederung einer Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers. Zum einen ist es erforderlich, dass nicht nur unwesentliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen. Daran fehle es beispielsweise bei der Vermietung von ohne Weiteres austauschbaren Büroräumen. Zum anderen kann laut BFH die wirtschaftliche Eingliederung nicht nur aufgrund unmittelbarer Beziehungen zum Organträger bestehen, sondern auch auf der Verflechtung zwischen Unternehmensbereichen verschiedener Organgesellschaften beruhen. Bei einer deutlichen Ausprägung der weiteren Voraussetzungen einer Organschaft ist es unschädlich, wenn die wirtschaftliche Eingliederung nicht derart deutlich ausgeprägt und lediglich ein vernünftiger wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Organgesellschaften existent ist.
Empfehlung: Unternehmensgruppen müssen die Entwicklung der Rechtsprechung in Bezug auf die umsatzsteuerliche Organschaft verfolgen, um rechtzeitig reagieren zu können. Es empfiehlt sich, eine Kontrolle im Rahmen eines steuerlichen Kontrollsystems einzuplanen.
Wachstumschancengesetz: Verpflichtende Einführung der E-Rechnung
Relevante Änderung des Regierungsentwurfes eines Wachstumschancengesetzes im Bereich der Umsatzsteuer
Die bedeutsamste relevante Änderung des Regierungsentwurfes eines Wachstumschancengesetzes im Bereich der Umsatzsteuer ist die Einführung der verpflichtenden elektronischen Rechnung (E-Rechnung) im B2B-Bereich.
Hintergrund
Auf Grundlage der aktuellen Fassung der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) ist in § 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) bislang der Vorrang der Papierrechnung vor der elektronischen Rechnung (E-Rechnung) geregelt. Ausstellung und Empfang einer E-Rechnung sind nur vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers möglich. Im Rahmen der Initiative „VAT in the Digital Age“ (ViDA) der EU-Kommission ist die verpflichtende Verwendung der E-Rechnung die Vorstufe für die zu einem späteren Zeitpunkt einzuführende Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich durch Unternehmer an ein bundeseinheitliches elektronisches System der Verwaltung (Meldesystem), das u. a. die bisherigen Zusammenfassenden Meldungen (ZM) ersetzen soll.
Die Europäische Union (EU) hat Deutschland ermächtigt, die Einführung der verpflichtenden elektronischen Rechnung auf nationaler Ebene auf den 1.1.2025 vorzuziehen. Auf EU-Ebene ist die Einführung für das Jahr 2028 geplant.
Was ändert sich?
In Umsetzung dieser Ermächtigung sind Unternehmer für ihre steuerbaren und steuerpflichtigen Umsätze zur Ausstellung einer E-Rechnung verpflichtet, wenn diese Umsätze an andere im Inland ansässige Unternehmer erbringen. Umsätze an ausländische Unternehmer und an Endverbraucher sind von dieser Verpflichtung nicht betroffen. Zukünftig ist zwischen einer E-Rechnung und einer sonstigen Rechnung zu unterscheiden. Dazu wird die E-Rechnung neu definiert. Nur noch eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird, das ihre elektronische Verarbeitung ermöglicht, gilt als elektronische Rechnung. Rechnungen, die in einem anderen elektronischen Format oder auf Papier übermittelt werden, werden unter dem neuen Begriff „sonstige Rechnung“ zusammengefasst. Eine per E-Mail versandte PDF-Rechnung gilt demnach nicht als E-Rechnung.
Was gilt als E-Rechnung?
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass die E-Rechnung der Norm CEN-Format EN 16931 entsprechen soll. Daneben soll es möglich sein, individuell ein anderes elektronisches Verfahren zu vereinbaren, sofern die vorgegebenen Daten extrahiert werden können. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat in einem Schreiben vom 2.10.2023 an die Verbände
bestätigt, dass folgende Formate die Anforderungen des CEN-Formats EN 16931 erfüllen:
- Die XRechnung ist ein Format, das u. a. bereits im öffentlichen Auftragswesen zum Einsatz kommt.
- Das ZUGFeRD-Format ist eine Kombination aus PDF-Dokument und XML-Datei (ab Version 2.0.1).
- Andere Rechnungsformate, die nicht explizit in dem Schreiben genannt werden, können jedoch grundsätzlich die Anforderungen erfüllen.
- EDI-Verfahren in weiterentwickelter Form: Laut BMF wird aktuell an einer Lösung gearbeitet, die die Weiternutzung der EDI-Verfahren auch unter dem künftigen Rechtsrahmen so weit wie möglich sicherstellen soll. Dass mit der Einführung des transaktionsbezogenen Meldesystems an bestimmten EDI-Verfahren noch technische Anpassungen vorgenommen werden müssen, kann zum derzeitigen Zeitpunkt nicht gänzlich ausgeschlossen werden.
Persönlicher Anwendungsbereich – wer ist betroffen?
Die E-Rechnung betrifft nur Leistungen (Lieferungen und sonstige Leistungen) zwischen Unternehmern (B2B). Weiterhin müssen leistender Unternehmer und Leistungsempfänger im Inland ansässig sein. Eine umsatzsteuerliche Registrierung in Deutschland ohne gleichzeitige Ansässigkeit löst demnach keine Verpflichtung zur elektronischen Rechnungsstellung aus.
Empfehlung: Für den Fall, dass die Regelungen des Entwurfs auch noch – unverändert – in der finalen Gesetzesfassung enthalten sein werden, sollte die Umstellung der ERP-Systeme auf E-Rechnungen in Unternehmen frühzeitig angegangen werden, da je nach Systemlandschaft erhebliche Anstrengungen zu erwarten sind. Andererseits lassen sich in vielen Fällen auch Effizienzsteigerungen durch die Einführung von
E-Rechnungen erzielen.
Nur wer CO₂ einspart, bekommt Kredit!
Banken setzen Unternehmen ehrgeizige Vorgaben auf dem Weg zur Klimaneutralität
Trotz Rezession und steigender Insolvenzzahlen: Banken setzen Unternehmen ehrgeizige Vorgaben auf dem Weg zur Klimaneutralität
Viele Unternehmen machen derzeit eine neue Erfahrung, wenn sie mit ihrer Hausbank über einen Kredit verhandeln. Sie müssen bei Sparkasse, Volksbank oder Großbank nicht nur ihre Kreditwürdigkeit nachweisen, die Bank will von ihren Firmenkunden auch wissen, wie sie ihre CO₂-Emissionen reduzieren und insgesamt nachhaltiger operieren.
So kann die Antwort der Bank auch schon mal negativ ausfallen. Von ihren Kunden aus der Zementindustrie verlangt beispielsweise die Deutsche Bank eine CO₂-Verringerung um 29 Prozent bis 2030 – ansonsten bekommen sie keinen Kredit. Auch die Hamburger Sparkasse prüft vor Kreditvergabe bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 2,5 Millionen Euro, ob sie ihre Nachhaltigkeitskriterien erfüllen. Ähnliche Vorgaben finden sich in den Nachhaltigkeitsrichtlinien vieler Kreditinstitute für Branchen wie Energie, Stahl, Automobil und Schifffahrt.
Betroffen von solchen Krediteinschränkungen sind keinesfalls nur Großkonzerne, sondern auch mittelständische Unternehmen. Daher ist es auch aus Eigeninteresse für Unternehmen an der Zeit, sich mit dem Thema Nachhaltigkeit − und dabei als erstes mit dem Einfluss auf Umwelt und Klima − zu befassen.
Der Hintergrund: Vorgaben der EU
Die Kreditinstitute fahren diesen Kurs nicht, weil ihnen Nachhaltigkeit auf einmal am Herzen liegt. Vielmehr kommen sie damit einer Verordnung der EU-Kommission nach, die Europa bis 2050 klimaneutral machen will. Um die Transformation der Wirtschaft voranzutreiben, hat die EU ein Regelwerk („Financing Sustainable Growth“) für die Finanzbranche entwickelt. Die sogenannte EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen ist der Hebel, mit dem die Banken die Wirtschaft auf den Pfad der ökologischen Tugend lenken sollen.
Für die Banken gilt seitdem: Sie müssen ihr Risikomanagement und ihre Kreditvergabe in Richtung CO₂-Neutralität umsteuern. Wie weit sie auf diesem Weg fortgeschritten sind, darüber gibt die sogenannte Green Asset Ratio Auskunft, die den Anteil nachhaltiger Geschäfte in der Bilanz erfasst. So rühmt sich die Deutsche Bank, schon jetzt die Vergabe von mehr als der Hälfte ihrer Firmenkredite an Bedingungen für eine Reduzierung der CO₂-Emissionen geknüpft zu haben.
Weil im Gebäudesektor hierzulande 30 Prozent aller Treibhausgasemissionen anfallen, prüfen die Institute – Stichwort grüne Baufinanzierung – vor der Kreditvergabe auch den Energieverbrauch der von ihnen finanzierten Bauprojekte, bewerten die Baumaterialien auf Umweltverträglichkeit und berechnen die Klimagas-Emissionen während des Baus und der Nutzung. Ziel ist es, den Primärenergiebedarf mindestens um zehn Prozent unter dem Schwellenwert für Niedrigstenergiegebäude zu reduzieren..
Die Nachhaltigkeitspolitik der Europäischen Union
Definiert wird Nachhaltigkeit zumeist auf Basis des Drei-Säulen-Modells Environmental, Social und Governance, kurz ESG. Das E steht für Ökologie, das S für Soziales und beinhaltet auch Aspekte wie Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, Diversity oder gesellschaftliches Engagement. Unter G wird eine nachhaltige Unternehmensführung verstanden. Hierzu zählen Themen wie Unternehmenswerte oder Steuerungs- und Kontrollprozesse (Compliance, Korruption).
Die EU hat sich mit Unterzeichnung des Pariser Klimaabkommens und dem Green Deal ambitionierte Klima- und Umweltziele gegeben. Aus Sicht der EU-Kommission ist der „Green Deal” alternativlos in Anbetracht der ansonsten gravierenden Folgen wie die zunehmende Anzahl von Todesfällen durch Luftverschmutzung, Hitze und Dürre, die Verschlechterung der Wasserverteilung und steigende Lebensmittelpreise.
Mit dieser Politik sieht sich die EU im Einklang nicht nur mit der historischen Notwendigkeit, den Klimawandel aufzuhalten, sondern auch mit der Stimmung der Mehrheit der europäischen Bevölkerung. Die junge Generation sieht den Klimawandel als eine der wichtigsten globalen Herausforderungen und dürfte diese gesellschaftliche Entwicklung weiter forcieren.
Nachhaltigkeitspolitik in Zeiten der Rezession
So sehr diese Politik des Klimaschutzes zu begrüßen ist − für Unternehmen ist sie eine zusätzliche Herausforderung. Denn die Reduzierung der Klimagase gibt es nicht zum Nulltarif. Es kommen immense Kosten auf Unternehmen zu, und das in Zeiten, wo sie ohnehin mit den Folgen von Inflation und Rezession zu kämpfen haben. So verschärft sich die Krise im Wohnungsbau, jedes zehnte Unternehmen berichtet von Finanzierungsschwierigkeiten, meldet das Münchner Ifo-Institut. Eine Insolvenzwelle droht, seit August steigt die Zahl der Firmenpleiten. Im September lag die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen um fast 20 Prozent über der des Vorjahresmonats.
Umso wichtiger ist es, sich jetzt beraten zu lassen, um auf dem schmalen Grat zwischen ökologischen Anforderungen und ökonomischer Vernunft die richtigen Entscheidungen zu treffen, die auch dem Unternehmen eine nachhaltige Zukunft versprechen.
Vom Club of Rome zum Green Deal
Meilensteine in der Entwicklung des Nachhaltigkeitsgedankens:
- 1972: Erste weltweite Umweltkonferenz der Vereinten Nationen in Stockholm mit 114 Teilnehmerstaaten Expertenbericht des Club of Rome „Die Grenzen des Wachstums“
- 1987: Bericht der World Commission on Environment and Development „Unsere gemeinsame Zukunft“ (Brundtland-Bericht) definiert Nachhaltigkeit als „Entwicklung, die den Ansprüchen der Gegenwart gerecht wird, ohne die Fähigkeit zukünftiger Generationen zu beeinträchtigen, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen“
- 1992: Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro mit 178 der etwa 200 Staaten. Verabschiedung von sechs Dokumenten zu den wichtigsten Aktionsfeldern einer globalen Umwelt- und Entwicklungspolitik
- 1997: Im japanischen Kyoto wird das Zusatzprotokoll zur Ausgestaltung der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen beschlossen mit dem Ziel, den Klimawandel durch Klimaschutzmaßnahmen aufzuhalten und die Treibhausgase zu reduzieren
- 2015: Verabschiedung der Agenda 2030 mit 17 globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals) für eine sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige Entwicklung.
Im Pariser Klimaabkommen verpflichten sich die Staaten, dafür zu sorgen, dass die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit beschränkt wird. - 2019: Mit dem Green Deal formuliert die Europäische Kommission das Ziel: Erreichung der Klimaneutralität bis 2050.